Wer schon einen Solarspaziergang im Solardorf Oberndorf erlebt hat, wird diesen so schnell nicht wieder vergessen. Diese Erfahrung haben inzwischen unzählige Interessierte gemacht, denn der monatlich stattfindende Spaziergang feiert am 16. April 2016 sein 15-jähriges Bestehen. 180 reguläre Termine jeden dritten Samstag im Monat und viele Sonderführungen für angemeldete Gruppen hat das Team um den Solarfachmann abgehalten.
Was ist aber nun so besonderes an dem Solarrundgang, dass sich zahlreiche Abgeordnete von Europa-, Bundes- und Landtag, Gäste aus Amerika, Japan und Sri Lanka, Laien und Fachleute, teilweise sogar bei Regen und Schnee, durchs Solardorf Oberndorf führen lassen?
„Wir können hier eindrucksvoll zeigen, wie vielfältig 100% CO2-neutrale Lösungen sind, wie Solaranlagen optisch anspruchsvoll in fast jedes Gebäude eingebunden werden können und wie letztlich die Energiewende zu bewerkstelligen ist.“ erklärt Hartmann, der den Solarspaziergang vor 15 Jahren nicht nur ins Leben gerufen hat, sondern auch regelmäßig selbst durch den Ort führt. Das Solardorf Oberndorf, ein Stadtteil Rottenburgs, liegt auf der Schattenseite des Pfaffenbergs und hat ca. 1.500 Einwohner. Wie wird ein Dorf zum Solar-Dorf? Das ist nicht ganz einfach zu beantworten: Wichtiger als Zuschüsse sind wohl Offenheit für Neues und das Bewusstsein, das Machbare und Sinnvolle zu tun. „Sowieso-Maßnahmen“ wie Arbeiten an der Fassade oder am Dach lassen sich gut zur energetischen Sanierung und zum Aufbau einer Solaranlage nutzen. Die Erneuerung von Heizkesseln oder Speicher laden zum Einbau einer thermischen Solaranlage und einer Biomasseheizung ein. Genau dies haben viele Oberndorfer in den letzten Jahren gemacht und so können beim Solarspaziergang exemplarisch rund 30 verschiedene Solarwärme- und Solarstromanlagen, Pelletheizungen, Stückholz- und Wärmepumpenanlagen besichtigt werden.
Den Traum vom sparsamen Haus erfüllt
Der Weg führt zum Beispiel am Haus von Irmgard Hartmann vorbei. Sie hat sich mit ihrem Haus in Rottenburg-Oberndorf einen Traum verwirklicht: Ein Niedrigenergiehaus in Holzständerbauweise mit einem maßgeschneiderten 21,75 Quadratmeter großen Fassadenkollektor, einem Kombispeicher mit 1.280 Litern, einem Pelletkessel mit einer Leistung von 14,9 Kilowatt und einem in Lehmwänden integrierten Wandheizungs-System. Die Solarwärme wird in den Kombispeicher eingeschichtet. Sehr effizient und ohne großen technischen Aufwand lässt sich so die Wärme sowohl für die Warmwasserbereitung als auch für die Heizungsunterstützung einsetzen. Der Restbedarf wird vollautomatisch vom Pelletkessel gedeckt. In den Wohnräumen sucht man vergeblich nach Heizkörpern. Hier scheint die Sonne aus den Wänden. Dünne Kupferrohre zu Serpentinen gebogen, die „Sonnenwände“ liefern nach dem Kachelofenprinzip, allerdings regelbar, angenehme Strahlungswärme. Um den Wirkungsgrad der gesamten Anlage zu optimieren, ist die Wandheizung für möglichst niedrige Vorlauftemperaturen großzügig ausgelegt und das Haus gut gedämmt. „In den nächsten Jahren muss eine große Zahl an Heizkesseln ausgetauscht werden. Effizientere Öl- oder Gaskessel einzubauen heißt, mit reduzierter Geschwindigkeit in die falsche Richtung weiter rennen, denn ein guter Teil der Energie lässt sich durch die direkte Nutzung der Sonne und der Rest CO2-neutral durch gespeicherte Sonnenenergie in Form von Holzpellets, Stückholz oder Hackschnitzel decken.“ erklärt Thomas Hartmann.
Oberndorfer als Solarstromproduzenten
Zusammen mit seiner Frau Maria wollte er auch im Bereich des Solarstroms ein Zeichen setzen. Gemeinsam stellten Sie im Februar 2000 beim Ortschaftsrat einen Antrag für die Errichtung einer Solarstrom-Gemeinschaftsanlage auf dem Dach der Grundschule. Nachdem sowohl vom Ortschaftsrat grünes Licht als auch von der KfW eine Zusage für die Finanzierung über das „100.000-Dächer-Programm“ kam, fanden sie 12 weitere Solarbegeisterte, die bereit waren sich an diesem Projekt zu beteiligen. Das Dach der Grundschule ist für eine solche Anlage ideal geeignet. Zum einen sind die technischen Voraussetzungen (Ausrichtung und Neigung) optimal, zum anderen bietet sich damit (nicht nur) den Schulkindern Gelegenheit, sich vor Ort in einem öffentlichen Gebäude mit dieser Technologie auseinanderzusetzen. Außerdem lässt sich eine große Gemeinschaftsanlage preiswerter erstellen als mehrere Einzelanlagen. Anfang März 2001 wurde die Solarstromanlage mit 24,15 kWp (Spitzenleistung) im Rahmen des „Tag der erneuerbaren Energie“ von Winne Hermann (MdB) und vom damaligen Oberbürgermeister Klaus Tappeser als erste Gemeinschaftssolarstromanlage des Kreis Tübingen feierlich eingeweiht. Dieses gelungene Projekt führte zu einer weiteren Gemeinschaftsanlage auf dem Rathausdach mit einer Größe von 8 kWp. Wie diese Anlage dazu beigetragen hat, mit Hilfe der Sonne einen Schneemann über den Sommer zu retten, das erfährt, wer sich mit Thomas Hartmann zum Solarspaziergang trifft…
Abschluss im sonnenzentrum
Seit Herbst 2006 bildet das sonnenzentrum, ein zu 80 Prozent solar beheiztes Firmen- und Wohngebäude, einen idealen Schlusspunkt für den Solarspaziergang. Neben den Führungen bieten Fachseminare, eine Ausstellung und Vortragsreihe sowie der „Blick in die Haustechnik“ Möglichkeit Solar- und Heizungstechnik auf vielfältige Weise zu erleben. In der hauseigenen sonne die feurige gastronomie können dann die eigenen „leeren Speicher“ mit erneuerbarer Energie aus der Region wieder gefüllt werden. Mit einem passenden Getränk lässt sich dann Speicherschichtung „begreifen“ und genießen. Wer nun Lust bekommen hat einen Solarspaziergang live zu erleben, hat jeden 3. Samstag im Monat dazu Gelegenheit. Treffpunkt ist jeweils um 9.00 Uhr am Sportheim in Rottenburg-Oberndorf. Der Jubiläums-Solarspaziergang findet am 16. April, der nächste dann am 21. Mai 2016 statt.